Am 28. April 2025 fand an der Wirtschaftsschule Weiden ein besonders bewegender Vortrag über das Leben von Ernst Reiter, einem Überlebenden des Konzentrationslagers Flossenbürg, statt. Geplant war ursprünglich ein Besuch seiner Tochter Ingrid Portenschlager, die aber krankheitsbedingt kurzfristig absagen musste. Stattdessen übernahm Frau Esther Dürnberger vom Verein Lila Winkel die Aufgabe, das Schicksal von Ernst Reiter eindrucksvoll und einfühlsam zu schildern.
Ernst Reiter, ein junger Österreicher und Zeuge Jehovas, verweigerte aus religiösen Gründen sowohl den Wehrdienst als auch den Hitlergruß. 1938 wurde er deshalb von der Gestapo verhaftet und zunächst zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach deren Verbüßung wurde er jedoch nicht entlassen, sondern direkt in das Konzentrationslager Flossenbürg überstellt, wo er die Häftlingsnummer 1935 erhielt.
Die Zeugen Jehovas bildeten im Lager eine eigene Häftlingskategorie. Ihr Erkennungszeichen war ein lila Winkel, den sie auf ihrer Kleidung tragen mussten. Sie waren die einzigen Häftlinge, die das Lager durch die Unterzeichnung eines sogenannten Glaubensverzichts hätten verlassen können. Doch Ernst Reiter weigerte sich standhaft – selbst unter schwerster Misshandlung – diesen zu unterschreiben.
Als im April 1945 die alliierten Truppen vorrückten, wurde das Lager geräumt. Die Häftlinge wurden auf einen sogenannten Todesmarsch geschickt und mussten drei Nächte ohne Nahrung durchmarschieren. Wer nicht mehr mithalten konnte oder aus der Reihe trat, wurde von der SS erschossen. Kurz vor Cham flohen die SS-Wachleute beim Anblick amerikanischer Panzer und Flugzeuge und ließen die geschwächten Gefangenen auf der Straße zurück. US-Soldaten fanden die Überlebenden und versorgten sie mit Keksen, Schokolade und Konserven. Viele der völlig ausgehungerten Häftlinge vertrugen das ungewohnte Essen nicht. Einige starben an den Folgen.
Nach dem Krieg kehrte Ernst Reiter nach Österreich zurück. Seine Großmutter war inzwischen verstorben, seine Tante kam im Konzentrationslager Auschwitz ums Leben. 1947 heiratete er und gründete er eine Familie mit drei Töchtern. Geprägt von seinen Erlebnissen war er ein strenger Vater, der Gehorsam einforderte. Wenn seinen Kindern das Brot zu hart erschien, sagte er: „Es ist nur hart, wenn man mein Brot hat.“ In der Familie Reiter durften Lebensmittel nicht verschwendet werden.
Eine eindrucksvolle Episode zum Schluss: Dreizehn Jahre nach Kriegsende wollte Ernst Reiter den ehemaligen Hauptfeldwebel besuchen, der ihm einst prophezeit hatte, dass er das Konzentrationslager nicht lebend verlassen werde. Der Mann war nicht anwesend und so ließ ihm Reiter lediglich ausrichten:
„Grüße von Ernst Reiter, Häftling Nr. 1935. Ich lebe noch.“
Der Vortrag erinnerte nicht nur an das Leid in der NS-Zeit, sondern setzte ein eindrucksvolles Zeichen für Zivilcourage. „Stillschweigen bestraft den Peiniger, niemals den Gepeinigten“, betonte Frau Dürnberger zum Abschluss.
Die Schülerinnen und Schüler zeigten sich sichtlich bewegt von der Geschichte Ernst Reiters und der engagierten und berührenden Vermittlung durch Frau Dürnberger.
Margot Weitzer und Sonja Messer