Christiane F. trifft Gustl Lang

„Mit zwölf kam sie zum Haschisch, mit dreizehn zum Heroin. Sie wurde süchtig, ging morgens zur Schule und nachmittags mit ihren ebenfalls abhängigen Freunden auf den Kinderstrich am Bahnhof Zoo.“[1] Die Rede ist von Christiane F., deren Geschichte seit der Ersterscheinung des Romans Wir Kinder vom Bahnhof Zoo im Jahr 1978 Generationen von Lesern fasziniert und gefesselt hat.

Diese Faszination ist auch heute noch in der Klasse 9aG der Gustl-Lang-Schule Weiden zu spüren – und das trotz des zeitlichen und räumlichen Abstands zum Berlin der 70er Jahre. Das Schicksal der gleichaltrigen Hauptfigur Christiane dominierte nämlich in den vergangenen Wochen den Deutschunterricht von 17 Jugendlichen. Einige davon verschlangen die 366 Seiten förmlich, setzten sich kritisch mit dem Werdegang des Teenagers auseinander, beleuchteten den Einfluss der Erziehung, des sozialen Umfelds und nahmen dabei unterschiedliche Perspektiven ein, um herauszufinden, wie es im Leben der Christiane F. so weit kommen konnte. Im Anschluss daran verglichen die Schülerinnen und Schüler ihre beim Lesen gewonnen Vorstellungen mit den Bildern, der Musik und den Schauspielern der Verfilmung. Diesbezüglich äußert sich eine Schülerin in ihrer Rezension folgendermaßen:

„Meiner Meinung nach sollte man zuerst das Buch lesen und erst danach den Film sehen. Ich persönlich würde es Jugendlichen in meinem Alter sehr ans Herz legen, den Roman zu lesen. Auch wenn er einige langweilige Passagen enthält, wird die Handlung schon nach fünf Seiten wieder spannend.“

Eine Identifikationsfigur, so die Schüler, sei die drogenabhängige Christiane wahrlich nicht, aber ein gutes Beispiel dafür, wie aus der Bewunderung und der Nachahmung falscher Freunde eine zunächst harmlose und im späteren Verlauf krasse Drogenkarriere erwachsen kann. Die teils intensiven Leseerfahrungen der Neuntklässler gingen mit einer Menge von Fragen zum Thema Konsum und Sucht einher: Sind Drogen eher bei Erwachsenen oder Jugendlichen beliebt? Woran erkennt man einen Süchtigen? Wieso gibt es keine Überraschungskontrollen an Schulen? – Fragen, die nur ein Experte hätte beantworten können.

Als Andrea Neumeier, die Präventionsbeauftragte der Kripo Weiden, von dem Lektüreprojekt erfuhr, zeigte sie sich sofort begeistert und stellte sich den Fragen der Schüler. Gemeinsam mit ihnen erarbeitete sie theoretische Grundlagen zum Thema Drogen, beantwortete eine Vielzahl von Fragen zur Wirkung unterschiedlichster Betäubungsmittel, der Situation in und um Weiden sowie der polizeilichen Arbeit bzw. Gesetzeslage.

Dabei überraschte vor allem die Antwort auf die Frage, welche die meist konsumierte Droge in Weiden sei: sogenannte Legal Highs, auch bekannt als Research Chemicals, die als Kräuter- bzw. Räuchermischungen oder Badesalz angeboten werden. Die bunten Tütchen mit teils lustig anmutenden Namen wie „Pink Panthers“ oder „Blue Cheese“ enthalten neben getrockneten Pflanzenteilen auch chemische Wirkstoffe, die auf den Verpackungen in der Regel nicht ausgewiesen werden. Für den Konsumenten ist die Wirkung somit praktisch unberechenbar. Nicht selten führt das Rauchen von Legal Highs zu Kreislaufversagen, Ohnmacht, Psychosen, Wahnvorstellungen, Muskelzerfall oder gar Nierenversagen; in einigen Fällen sogar zum Tod.

Doch auch Cannabis zählt laut Neumeier – genau wie im Fall von Christiane F. – nach wie vor zu den klassischen Einstiegsdrogen. Aus diesem und anderen Gründen ist professionelle Präventionsarbeit überaus wichtig, damit es jungen Menschen genügt, im Deutschunterricht von Christiane F.s negativen Erfahrungen zu lesen, statt eigene zu machen.

[1]Christiane F.: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo. Nach Tonbandprotokollen aufgeschrieben von Kai Hermann und Horst Rieck. Hamburg: Carlsen, 2009. Klappentext.